Rückkehr – Leni bloggt (10)

Seit dem 1. Mai 1945 befindet Leni sich mit ihren beiden älteren Kindern in Schwerin im Krankenhaus. Um sie herum tobt das Chaos, in ihr drin ebenso. Ein Kind beerdigt, eins zurückgelassen, keine Nachricht vom Ehemann.


Was hätte ich denn machen sollen? Es hat keinen Sinn, sich Vorwürfe zu machen, was passiert ist, ist passiert. Jetzt ist die Frage, wie es weitergeht. Es ist unmöglich, zu dem Gut zurückzukehren, auf dem ich Hans zurückgelassen habe. Ich habe es versucht, wieder versucht, noch einmal versucht.

„Sie wollen zum Gut W.?“, spricht mich eine Dame an. Ich bejahe. Hat sie Hans gesehen? „Das Gut haben die Russen beschlagnahmt. Der Besitzer und seine Frau bewohnen noch ein Zimmer, aber sie werden sicher nicht auf dem Gut bleiben. Ein Baby? Nein, da ist kein Baby. Nein, da ist keine Frau in Ihrem Alter.“

Da ist kein Baby.

Von allen Seiten drängt man uns, unsere Flucht fortzusetzen, die Zustände werden immer schlimmer und die Kinder sind wieder reisefähig. Wir müssen weiter. Hier findet uns ohnehin niemand, sollte man uns suchen.

Ich packe die Kinder ein und das Wenige, das von der Flucht übrig ist. Ob Paulina mit dem Rest unserer Sachen sicher in Hamburg angekommen ist? Wir kommen gut voran und schließlich treffen wir in meiner alten Heimat ein. Noch auf der Straße treffe ich die ersten Bekannten und erfahre, dass mein Elternhaus in britischer Hand sei. Ohnehin liegt das Haus von Friedrichs Großeltern auf dem Weg, dorthin lenken uns unsere Schritte. Seine Mutter empfängt uns, was für eine Wohltat, diese liebe Frau in die Arme zu nehmen.

Paulina ist hier. Von unseren Sachen ist nur wenig angekommen.

Keine Nachricht von Friedrich.

Meine Schwiegermutter kümmert sich rührend um ihre Enkel, endlich bekommen sie die Nähe, die ihnen zusteht. Ich gehe nach draußen auf die Straße, es ist unglaublich, wie viele Menschen dort unterwegs sind, überall hört man fremde Laute, ostdeutsche Mundart der Ostpreußen. Doch in all dem Trubel immer wieder bekannte Gesichter. „Sie haben noch zwei Kinder, das ist mehr, als ich sagen kann, meine Jungs sind gefallen“, blökt man mir entgegen. Die Nazis vergehen im Selbstmitleid. Der Wald ist abgeholzt. Meine Heimat ist mir fremd geworden. 


Kurz danach wird das Großelternhaus von Friedrich ebenfalls von den Briten beschlagnahmt. Die Serie wird im September fortgesetzt – bis dahin bleibt die Situation für Leni unverändert.

Blick aus dem Garten von Lenis Elternhaus auf das Großelternhaus von Friedrich

Blick aus dem Garten von Lenis Elternhaus auf das Großelternhaus von Friedrich