Nostalgiebetten – Bett 7

Schockierter Anis

Sinnieren über die Betten meiner Vergangenheit: die Zeit nach dem Abi. Wenn ich nicht einschlafen kann, träume ich mich in frühere Schlafstätten zurück.

Einmal nur, einmal kam ich in eine neue Behausung und fand sie schrecklich. Graue Einbaumöbel an blauem Linoleumboden, an der Wand eine Art handgemachte Hardcore-Raufaser-Beschichtung, weiß lackiert und mit so spitzen Spitzen, dass die Poster nach kurzer Zeit aussahen, als hätten sie Pickel.

Graue Einbaumöbel

Am Kopfende vom Bett

Ich war fertig mit der Schule und wollte nicht in England studieren. Überhaupt wusste ich nicht so recht, was tun, also arbeitete ich erst einmal ein halbes Jahr und ging dann nach Straßburg, um vernünftig Französisch zu lernen. Nach einigem Hin und Her bekam ich ein Zimmer in einem Studentenwohnheim. Bei meiner Ankunft brauchte ich noch von irgendwoher eine Bescheinigung und wollte meinen Koffer im Büro vor Ort unterstellen, doch da hätte ja eine Bombe drin sein können. Das kannte ich schon aus England, wo in der Schule einst die Computerlehrerin ihren Aktenkoffer mitten in der Halle stehenließ und deswegen beinahe ein Großalarm ausgelöst wurde. Nur der regenbogenfarbige Apple-Aufkleber, der ihren Koffer identifizierbar machte, bewahrte die Schule davor.

Doch das sind keine Bettgeschichten.

Ein Bett gab es in meinem neuen Zimmer auch. Erst als mich meine beste Freundin besuchte, wurde ich darüber aufgeschlaut, dass es nur 70 cm breit war. War mir selbst nicht aufgefallen.

Ich wohnte in Bâtiment C, einem hässlichen, aber klassichen sandfarbenen Hochhaus mit Blick auf den Hof zwischen den insgesamt sechs Wohnkästen. Das führte dazu, dass ich viel Zeit an meinem Fenster verbrachte und den Menschen beim Vorbeigehen zusah. Und ich guckte auch meistens nicht allein runter, sondern gemeinsam mit meiner neuen Freundin, einer Amerikanerin.

Zwei Mädels am Fenster

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Manch einer wurde auf uns aufmerksam. Wohnte er zufällig genau zwei Etagen über mir, war es ein Leichtes, meine Zimmernummer herauszufinden und uns spontan zu besuchen.  Na gut, das hat nur einer gemacht, aber er ist dafür bis heute einer meiner besten Freunde.

 

 

 

 

Hof mit Tennisplatz

Blick in den Hof

Blick auf den Hof

Noch mal Blick

Pausenplatzblick

Blick nach links, wo man super Pause machen und Bier trinken konnte

Ich freundete mich mit den unterschiedlichsten Menschen noch unterschiedlicherer Nationen an, die jeder eine ganze Gruppe neue Bekanntschaften nach sich zogen.  Frei nach dem Motto: Kennste einen, kennste alle. Allerdings war es eher andersrum, die anderen kannten mich – und ich hörte schnell auf, mich darüber zu wundern.

Zugute kam mir meine Kennenlernfreudigkeit, als ich im Aufzug von Bâtiment A stand, um meine Freundin im obersten Stockwerk zu besuchen. Es stiegen drei junge Herren zu, die Tür schloss sich und einer zückte ein Messer.

Sieben Stockwerke lagen noch vor mir.

Sie fragten mich, ob ich wohl Angst habe.

Ich verneinte.

Das stimmte tatsächlich. Es hätte ja gar keinen Sinn gehabt, ich war nun mal eingesperrt und musste das Beste draus machen. Irgendwas hab ich noch gesagt, und weil ich einen Akzent hatte, kamen wir auf mein Herkunftsland, auf Hamburg, auf den HSV (DA kam ich dann doch ins Schwitzen) und kurz vor unserer Ankunft wollten sie wissen, ob ich wohl im obersten Stock wohnte.

Ich verneinte.

Und dann fragte ich, ob sie Milan besuchen wollten.

Es gab nämlich für die meisten (insbesondere zwielichtige) Gestalten nur einen Grund, in den obersten Stock von Bâtiment A zu fahren – und das war Milan und sein kleiner Handel für bewusstseinserweiternde Substanzen. Er wohnte neben meiner Freundin und natürlich kannten wir uns. Als den Jungs das klar wurde, haben sie sich sehr höflich von mir verabschiedet.

Das war jetzt auch keine Bettgeschichte. Zum Glück wurde es gar nicht erst zu einer kompletten Geschichte.

Aber ich wollte eigentlich eine Bettgeschichte haben. Damals, meine ich.

Die Zeit war reif, fand ich.

Ich hatte keine Lust, eines Tages meiner ersten großen Liebe zu begegnen und mit der dann diese ganzen Sexwirren bestehen zu müssen. Ich hielt es für viel praktischer, das Technische erst zu klären und dann zu den Gefühlen zu kommen. Ja, manchmal bin ich ein bisschen sehr rational.

Nun brauchte ich nur den passenden Lehrmeister. Und wer wäre besser gewesen als der nette junge Mann mit dem leckeren Namen eines Gewürzes, der dafür bekannt war, ständig Bettgeschichten zu haben? Ich dachte ein paar Tage drüber nach, fand die Idee gut und unterbreitete sie ihm.

Er war, gelinde gesagt, geschockt.

Er musste – und das nehme ich bis heute persönlich – DARÜBER NACHDENKEN. Wir wurden uns dann aber doch einig, und ich war die wenigen verbleibenden Wochen damit beschäftigt, den Gewürzmann vor dem oben erwähnten besten Freund zu verheimlichen, denn der hätte meinen Umgang mit seinem unterbelichteten Landsmann nicht befürwortet. Nicht, dass diese Bettgeschichte in meiner eigenen Schlafstatt stattgefunden hätte. Nein, ich ziehe es vor, abhauen zu können, wenn ich möchte. Sonderlich oft war ich auch nicht bei ihm, denn SO schwierig ist der technische Teil dann ja doch nicht.

Ach, Straßburg, ich vermisse dich. So ein hässliches Zimmer, so eine fantastische Zeit.

Kassettencover

Der Straßburg-Soundtrack

Kassettenrückseite mit Text

Rückseite Kassette, Zitat Mama

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