Fluchtgeschichten – Leni bloggt (7)

Wir sitzen im Krankenhaus fest. Die 7-jährige Helene wird noch eine ganze Weile liegen müssen, ihr eines Bein ist stark verletzt. Bei Klaus sieht es besser aus, und auch mein Arm ist nicht allzu übel zugerichtet. Ich habe die Genehmigung der Amerikaner, mich weiter nach Osten durchzuschlagen, aber es ist mir bisher weder gelungen, den Wagen mit dem toten Christian zu finden, noch konnte ich bis zu dem Gut vordringen, auf dem sich der einjährige Hans befindet.

Zurück im Krankenhaus wird mir mitgeteilt, dass ich gesucht werde. Paulina, meine Hausangestellte, sitzt am Bett von Helene. Oh, wie bereue ich es, ihr meinen Hans nicht mitgegeben zu haben.

Sie ist vollkommen aufgelöst, der Treck wird nicht weitergelassen und von unseren drei Fuhrwerken ist nur noch eins übrig, Paulina wurde vollkommen ausgeplündert. Auch jetzt will sie schnell zurück, um auf das restliche Hab und Gut zu achten. Ich gehe mit ihr und bin entsetzt, wie wenig uns geblieben ist.

Sie wird weiterhin versuchen, nach Hamburg zu gelangen. Wir können nur hoffen, dass sie dort meine Schwiegermutter wohlbehalten antrifft.


Leni sitzt also weiterhin in Schwerin fest, während ihr jüngster Sohn nur wenige Kilometer von ihr entfernt auf sie wartet. Von ihrem Mann Friedrich hat sie keinerlei Neuigkeiten. Was hätte er berichtet? Ungefähr das hier:


Am 1. Mai kapitulierte meine Truppe in Fehrbellin. Nach monatelangen Kämpfen waren wir vollkommen erschöpft und geradezu dankbar für die Ankunft des Russen. Man trieb uns hinter Stacheldraht zusammen und dann wurde offenbar beraten, was mit uns zu geschehen sei. Es gibt Gerüchte über Transporte nach Sibirien.

In der zweiten Nacht gelang es mir zu fliehen. Seitdem gehe ich nach Norden. Immer nach Norden, durch die zerstörten Wälder. Nachts marschiere ich, tagsüber verstecke ich mich im Laub. „Marschieren“ ist maßlos übertrieben, ich stolpere voran und versuche, etwas Essbares zu finden. Ich hoffe, meine Familie wohlbehalten auf dem Gut anzutreffen.